Das Bild zeigt einen detailgetreuen 3D-Nachbau des Mechanismus von Antikythera. Es ist, als ob man ins Innere eines Uhrwerks schaut.
Detailgetreue VR-Rekonstruktion des Mechanismus von Antikythera (Bilder: Wikimedia, Thomas Weibel)

Der Computer der alten Griechen – in VR 

Thomas Weibel
Ein unscheinbares Fundstück, geborgen aus einem antiken Schiffswrack, entpuppte sich nach jahrzehntelanger Forschung als wissenschaftliche Sensation: Die alten Griechen verfügten über mechanische Modelle des Kosmos von enormer Präzision. Der sogenannte «Mechanismus von Antikythera» ist ein analoger Kalendercomputer, nachgebaut von IMP-Dozent Thomas Weibel als detailgetreues VR-Modell.

Als der griechis­che Erziehungsmin­is­ter Spyri­don Stais im Mai 1902 im archäol­o­gis­chen National­mu­se­um in Athen einen bis dahin noch nicht näher unter­sucht­en, stark kor­rodierten Bronzek­lumpen zur Hand nahm, brach ein Stück des Klumpens ab – und gab den Blick frei auf ein erstaunlich gut erhaltenes Zah­n­rad mit nur 1,5 Mil­lime­ter hohen Zäh­nen, wie man es in einem mod­er­nen Uhrw­erk ver­muten würde. Der Klumpen aber stammte aus dem Wrack eines antiken Schiffs, das ums Jahr 70 v. Chr. in ein­er Bucht der vor der Süd­spitze Griechen­lands gele­ge­nen Insel Antikythera gesunken und 1900 von Schwamm­tauch­ern ent­deckt wor­den war. 

Zahnradgetriebener analoger Computer

Ein Präzi­sion­szah­n­rad aus der Antike, das war für die Wis­senschaft ein Schock und ein Rät­sel. Erste plau­si­ble Antworten fand in den 1950er-Jahren der britis­che Physik­er und Wis­senschaft­shis­torik­er Derek de Sol­la Price: Er erkan­nte, dass das ursprüngliche Gerät ein astronomis­ch­er Rech­n­er gewe­sen war, die Grösse ein­er heuti­gen Tis­chuhr gehabt haben muss und über einen seitlichen Drehknopf angetrieben wor­den war. Heute, nach aufwändi­gen Unter­suchun­gen der ins­ge­samt 82 gefun­de­nen Frag­mente, darunter hoch auflösenden, Met­all durch­drin­gen­den Com­put­er­to­mo­gram­men, weiss man: Der Mech­a­nis­mus von Antikythera war ein aus Bronze gefer­tigtes mech­a­nis­ches Kalen­dar­i­um, ein zah­n­rad­getrieben­er analoger Com­put­er, in dessen Plati­nen Skalen und Texte zu den einzel­nen Funk­tio­nen ein­graviert waren. 

Auf der einen Seite befand sich ein Son­nenkalen­der mit Datum­sanzeige. In einen der Zeiger ein­ge­lassen war eine sich drehende, zur Hälfte ver­sil­berte Kugel, welche die Mond­phase anzeigte. Das Zif­ferblatt trug eine sta­tis­che Anzeige mit den 12 Tierkreisze­ichen und eine Ringskala für die 365 Tage des Jahres, wie sie der ägyp­tis­che Kalen­der vor­sah, mit 12 Monat­en zu 30 Tagen plus fünf Zusatz­ta­gen. Diese Skala war beweglich, um den ein­mal in vier Jahren auftre­tenden zusät­zlichen Schalt­tag berück­sichti­gen zu kön­nen. Die andere Seite des Appa­rats zeigte zwei weit­ere Anzeigen: oben einen grossen spi­ralför­mi­gen Mond­kalen­der mit dem nach dem griechis­chen Astronomen Meton benan­nten 19-Jahre-Mondzyk­lus. Darunter befand sich die eben­falls spi­ralför­mige Anzeige eines grossen Eklipsenkalen­ders zur Darstel­lung von Son­nen- und Mondfin­stern­issen. Und schliesslich fand sich inner­halb der Mond­kalen­der­anzeige noch eine kleine Vier­jahre­sanzeige des Olympiadenkalen­ders, welche die Aus­tra­gun­gen der pan­hel­lenis­chen Spiele mit­samt dem jew­eils wech­sel­nden Aus­tra­gung­sort angab. 

Nachbau des Mechanismus von Antikythera

Für die Wis­senschafts­geschichte stellt der Mech­a­nis­mus von Antikythera einen der bedeu­tend­sten Funde über­haupt dar, weil er beweist, dass Inge­nieurskun­st und Mechanik im alten Griechen­land auf einem Niveau waren, das Europa erst 1500 Jahre später wieder erre­ichen sollte. Zu Lehr- und Stu­dien­zweck­en hat IMP-Dozent Thomas Weibel den Mech­a­nis­mus von Antikythera unter https://www.thomasweibel.ch/antikythera nachge­baut. Der virtuelle Appa­rat dreht sich um seine eigene Achse und gibt den Blick frei auf das detail­ge­treu nachge­bildete Getriebe, die aufwändig gravierten Zif­ferblät­ter und Zeiger. Die Ani­ma­tion­s­geschwindigkeit beträgt ein Kalen­der­jahr in ein­er Minute. 

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